Europa Award: Denmantau startet für Deutschland

Am 26.10.2013 findet in der FestungMark (Magdeburg) der erste local heroes Europa Award statt. Denmantau, Jurysieger des Bundesfinale 2011, startet für Deutschland.


Im Frühjahr 2012 machten sich fünf Jungs aus Wilhelmsburg auf den Weg nach Amerika. Ohne genauen Plan, ohne Übernachtungsmöglichkeit und ohne persönliche Kontakte – in der Tasche nur ein bisschen Kleingeld für die ersten Tage und ein Traum: Eines Tages von der Musik leben zu können und über die Grenzen ihrer Stadt hinaus bekannt zu werden. Ein kühner Traum, den viele Nachwuchsbands auf der ganzen Welt träumen.

Wer sich mit Julian, Stefan, Jonas, Milan und Paul einen Abend lang unterhält, hat sehr schnell das Gefühl, dass die Dinge hier anders liegen. Die Begeisterung für die Musik gepaart mit einem beinahe schon altklugen Selbstverständnis für die Art und Weise, wie die Karriere laufen muss, ist faszinierend. Es gehört schon viel Mut dazu, in Deutschland alle Verbindungen abzubrechen und mit Anfang 20 sein Glück in einem völlig fremden Land zu suchen. Drei Monate lang war die Band Denmantau auf den Straßen von Los Angeles unterwegs und hat fast täglich am Venice Beach gespielt. Hier heißt es Sehen und Gesehenwerden. Wer kein Talent hat, geht in der Masse der Straßenkünstler und Selbstdarsteller unter. „Das Spielen auf der Straße ist eine harte Schule, man bekommt eine direkte Gegenreaktion vom Publikum. Für uns war es jedoch die beste Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln“, sagt Sänger Paul.

Bereits zwei Jahre zuvor konnten Teile der Band bei einem neunmonatigen Auslandsaufenthalt in Australien und Neuseeland das Straßenmusiker-Leben kennenlernen. Da Erdbeer-Pflücken keine Option war, kauften sich Julian, Jonas und Paul vor Ort kurzerhand Instrumente: „Wir haben angefangen zu spielen und sehr schnell gemerkt, dass sich damit Geld verdienen lässt“, verrät Gitarrist Julian. Die CDs brannten sie jede Woche in einem Inernetcafe. Tausende Cd's konnten die drei Musiker während ihres Aufenthaltes auf der Straße verkaufen. Zu Hause angekommen, gründeten sie mit Schlagzeuger Milan und Bassist Stefan die Band Denmantau – der Name ist eine Referenz an ihre Heimatstadt.

Nach endlosen Straßenkonzerten in Deutschland, Belgien, Italien und Frankreich, entschieden sie sich für den nächsten Schritt: „Wir wollten eine international erfolgreiche Band werden. Und da schien es nur logisch, nach Los Angeles zu gehen, denn hier sitzt ein Großteil der Musikbranche“, sagt Gitarrist Jonas.

Ihr Mix aus Rock, Pop, Mariachi-Klängen und deutschem Akzent kam auch bei den Amerikanern gut an. Weit abseits üblich melancholischer Singer-Songwriter-Klänge glichen ihre Auftritte mit der herausstechenden Trompete eher einer ausgelassenen Tanzveranstaltung als einem normalen Straßenkonzert – bis zu 200 Hörer zählte die Fangemeinde pro Auftritt. Mit den Verkäufen ihrer zwei EPs verdienten sie ausreichend Geld für ein entspanntes Leben in der Sonne.

Die fünf Schulfreunde lebten gemeinsam in den Tag hinein und ließen sich vom neu entstandenen Lebensgefühl treiben. Als Wohnung reichte ihnen ein alter Chevy-Van. War das Geld doch mal knapp, musste eine Extraschicht am Venice Beach eingelegt werden. Nach wenigen Wochen freundete sich die Band mit anderen Musikern an und stieg tiefer in die lokale Musikszene ein. Was dann folgte, würde wahrscheinlich genug Stoff für drei Road-Movies liefern:“ Wir sind fast jeden Tag auf eine andere Party gegangen und haben oft auch dort gepennt – wir hatten ja keine Bleibe. Aber auch wenn es verrückt klingt, dadurch haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut“, verrät Paul.

Nach drei Monaten war der Road Trip vorbei und das Holiday-Visum abgelaufen. Doch im Flugzeug war für Denmantau bereits klar: „Wir werden wiederkommen“. Und so ging es mit einem zweiten Visum bereits im November 2012 zurück nach Amerika. Dieses Mal gestaltete sich ihr Aufenthalt etwas komfortabler: Sie übernachteten fast drei Monate bei einer Band, die sie bereits bei ihrem ersten Aufenthalt kennengelernt hatten. Und dann kam die Sache ins Rollen: „Eines Tages trafen wir einen Typen aus der Musikbranche, der eine neue Band suchte. Fast zeitgleich trat der Fernsehsender ABC mit der Anfrage an uns heran, eine Serie über uns drehen zu dürfen. Es war also einiges los“, sagt der 23-jährige Paul.

Auch wenn aus der Serie nichts wurde, traf sich die Band mit verschiedenen Leuten aus der amerikanischen Musikindustrie. Pläne wurden konkret und das Wagnis der fünf Hamburger begann sich langsam auszuzahlen. Doch die amerikanische Bürokratie legte den Musikern nach drei Monaten erneut Steine in den Weg: „Wir brauchten ein Arbeitsvisum – und das war nur aus Deutschland heraus zu beantragen“, sagt Bassist Stefan. Am Tag ihrer Abreise trafen sie sich kurz vor dem Rückflug zum ersten Mal mit ihrem zukünftigen Management, dann ging es zurück nach Hamburg.

Hier wohnen sie momentan bei Freunden über die ganze Hansestadt verteilt, während ihre Anwälte sich um die Rückreise nach Amerika kümmern. Doch ihrer „Buskers-Philosophy“, also der Philosophie vom Musizieren auf der Straße, sind sie auch hier treu geblieben. Wer durch die Mönckebergstraße oder über das Schulterblatt läuft, trifft an einem schönen Spätsommertag mit Sicherheit auf Denmantau.

Wenn sie nicht auf der Straße spielen, kümmern sie sich gerade um die Fertigstellung ihrer nunmehr dritten EP, die – ganz passen – „Buskers Philosophy“ heißen soll und im September erscheint. Aufgenommen wurde in Eigenregie in einem kleinen Studio in Salzhausen.

Doch ist die EP erstmal fertig, hält die fünf Freunde eigentlich nichts mehr in Deutschland. Der Blick geht schon seit vielen Wochen wieder über den großen Teich. Im Oktober soll das neue Visum ausgestellt werden, dann geht es zurück nach Amerika, ihre neue Heimat. Eine erste Kalifornien-Tour ist bereits in Planung. Alles Weitere wird sich hoffentlich dort ergeben. Auf jeden Fall planen die fünf Jungs für die nächsten drei Jahren den amerikanischen Musikmarkt zu erobern.

Oft hören sie von anderen Leuten, dass diese es auch gerne machen würden wie sie, einfach so durch die Gegend reisen. „Zu diesen Leuten sagen wir „Mach es“. Es gibt keinen Unterschied zwischen mir und dir“, sagt Paul. „Im Grunde genommen haben wir ja nichts. Wir haben keine Ausbildungen, wir haben unsere Musik und das reicht uns. Da stecken wir unser Vertrauen rein. Wir bekommen gute Resonanz die uns das Gefühl gibt, wir sind auf dem richtigen Weg“, so Paul weiter. Und tatsächlich, sie sind wahrscheinlich genau da, wo sie gerade sein sollten.

Abendblatt Hamburg (24.09.13)