Im Rahmen der Workshops wurden die Künstler:innen dazu ermutigt, in die Selbstreflexion zu gehen. (Foto: David Lehmann)

Im Rahmen des local heroes Bayern-Landesfinales 2023 fand erstmals eine Kooperation mit dem Verband für Popkultur in Bayern e.V. (VPBy) statt. Die Teilnehmer:innen nutzen die Chance, um wertvolle Anregungen mit nach Hause zu nehmen.

Zum dritten Mal hat der bayerische Ableger von Deutschlands größtem und ältesten Non-Profit-Musikpreis „local heroes“ sein Landesfinale in Rottershausen ausgetragen. Die Kooperation von local heroes Bayern und dem „ab geht die Lutzi“ wurde diesmal um den VPBy erweitert. Mit einem Netzwerktreffen und Coachings hat der in Alteglofsheim ansässige Verband einen wertvollen Beitrag zur Newcomer:innen-Förderung in der Region geleistet – und das kostenlos für alle Teilnehmer:innen.

„Es war wundschön, diese Menschen im Vorfeld des Landesfinales kennen zu lernen“, so das Fazit des Münchner Duos „Fliegende Haie“. Kristina Paulini und Jan König sind die „local heroes Bayern 2023“ und nahmen im Vorfeld gemeinsam mit zahlreichen anderen Newcomer:innen am Angebot des VPBys teil. „Wir hatten einen intimen Booking-Workshop, in dem wir besprechen konnten, was wir künftig besser machen bzw. verändern können“, so Kristina Paulini. „Wir haben hier viel mitgenommen.“ Besonders die angenehme „Wohnzimmer-Atmosphäre“ in einem kleinen, separaten Zelt abseits des Festival-Trubels wussten beide sehr zu schätzen.

Gespannt folgten die local heroes Bayern-Landessieger Jan König und Kristina Paulini den Ausführungen im Rahmen des VPBy-Netzwerktreffens. Ihr Band-Projekt „Fliegende Haie“ kann davon nur profitieren. (Foto: David Lehmann)

Die Zusammenkunft auf dem „ab geht die Lutzi“ fand im Rahmen des Projektes „In.Pulse“, welches innerhalb von „PUSH – die Jugendmusikszene“ angesiedelt ist, statt: So wurden die Teilnehmer:innen mit Unterstützung des VPBy mit hochkarätigen Dozent:innen der Musikbranche zusammengebracht. Mit an Bord war unter anderem Leandra Preißler, die seit mehr als 15 Jahren in der Musikindustrie tätig ist. Die Veranstaltungskauffrau war Produktionsassistentin bei Festivals, Tourmanagerin und Künstler:innenbetreuerin. 2011 gründete sie ihre eigene Managementtagentur Pennywise Entertainment und absolvierte 2014 ihren Bachelor in Musikbusiness an der Popakademie in Mannheim. Seither ist sie hier federführend für die Organisation und Inhalte des Spitzenförderprogramms „Bandpool“ zuständig. Heute leitet sie außerdem ihre eigene Agentur „PinkPong!“. Darüber hinaus ist sie als organisatorische Leiterin eines Jazz-Orchesters beim Landesmusikrat Baden-Württemberg tätig.

Dozentin Leandra Preißler und ihr Kollege David Lodhi liefern den jungen Musiker:innen spannende Einblicke in ihre tägliche Arbeit. (Foto: David Lehmann)

Ebenfalls im Team war der dritte Vorsitzende des VPBy, David Lodhi. Er ist Co-Founder und Programmdirektor des Nürnberg Pop Festivals. Daneben ist er Inhaber des bekannten Nürnberger Clubs Stereo. Dritte im Bunde war an diesem Nachmittag Vanessa Patrick, Mitarbeiterin bei PULS vom Bayerischen Rundfunk. Dort ist sie als Musikplanerin und -kuratorin (PULS Radio) tätig. Die Musikjournalistin kümmert sich um die Förderung von Newcomer:innen und ist Community Managerin (News WG). Daneben gibt sie Workshops, unter anderem an der LMU München, für den VPBy und BV Pop. Als Mentorin unterstützt sie FLINTA-Artists und sitzt in Fachjurys von Nachwuchsförderprojekten. Vanessa Patrick bietet zudem Coachings an, mit denen sich Musiker:innen strategisch professionalisieren können.

Mit Leandra Preißler auf „Schatzsuche“

„Willkommen in der Schreibwerkstatt!“, das hätte gut und gerne das Motto für den Workshop mit Leandra Preißler gewesen sein können. Gemeinsam mit den Teilnehmer:innen besprach sie den Bereich „Image-Arbeit“. Dabei ging es um die vorhandenen Pressetexte, ihre Social Media-Präsenzen und natürlich wurde auch in die jeweilige Musik hineingehört. Leandra Preißler gab hierzu wertvolles Feedback inklusive kleiner Checklisten für den richtigen Aufbau eines Pressetextes. Ihr ging es darum zu vermitteln, was hier wirklich hineingehört, aber eben auch nicht. So stellen sich zum Beispiel immer wieder die Fragen: „Wie gut sind Metaphern wirklich?“, „Wie spreche ich Pressepartner:innen richtig an?“ „Was interessiert die verschiedenen Medien?“ In ihren Coachings, so die Fachfrau, gehe es stets um eine Art „Selbstermächtigung“. „Das heißt: Weniger abhängig zu sein von außen und von Menschen, die Pressetexte für Bands schreiben“, so Leandra Preißler. Ihre Teilnehmer:innen sollen wissen, was die Personen tun und dürfen, mit denen sie innerhalb der Musikindustrie zusammenarbeiten. Es gehe auch darum, was man von ihnen verlangen kann und darf. „Die jungen Künstler:innen sollen selbst Bescheid wissen.“

„Es ist gut, wenn die Künstler:innen auch mal aus der eigenen ‚Suppe‘ herauskommen und einen Außenblick zu erhalten“, sagt Leandra Preißler. (Foto: David Lehmann)

Preißler arbeitet mit ihren Teilnehmer:innen auch am sogenannten Storytelling. Sie fragt: „Welche Geschichte ist wirklich interessant Euch?“ Denn „eine vierköpfige Band aus Augsburg“ mache noch lange keine gute Story. Leandra Preißler ist überzeugt: „Jeder Act hat eine spannende Geschichte!“ Oftmals würden die Künstler:innen vergessen, dass sie selbst auch Konsument:innen von Musik seien und diese aus einem bestimmten Grund hören würden. „Für mich ist es wichtig, den Künstler:innen niemals etwas aufstülpen zu wollen“, betont sie. „Es muss eine intrinsische Motivation vorhanden sein, die meist ein wenig ausgegraben muss.“ Das sei manchmal eine richtige „Schatzsuche“. Sie sagt: „Es gibt kein Erfolgsrezept. Es kommt auf den jeweiligen Act an, was sinnvoll ist.“ Ihre Arbeit mit jungen Acts mache ihr unglaublichen Spaß, so Leandra Preißler „Denn die Acts, die bei Förderprogrammen mitmachen, sind auch meistens sehr selbstreflektiert. Sie haben Bock und nehmen ganz viel mit!“

In jedem Act steckt etwas „Cooles“

Hilfestellung für die Workshop-Teilnehmer:innen im Rahmen des local heroes Bayern-Landesfinales war auch das Grundanliegen von Vanessa Patrick. Die jungen Leute hatten die Möglichkeit, die Fachfrau ganz individuell mit allen möglichen Fragen zu „löchern“. Aus ihrer Erfahrung heraus gehören Themen wie „Artist Identity“, „wie finde ich meine Story“, „wie bewerbe ich mich bei Menschen aus den Medien“ oder sogar „was ist meine „unique selling proposition“ Kernanliegen von Newcomer:innen. Sie schließt sich ihrer Kollegin Leandra Preißler an, wenn sie den Künstler:innen sagt: „Finde deine Story!“ Denn in jedem Act stecke etwas „Cooles“. Das herauszufinden, sei essentiell. Sie müssten in sich hineinhorchen und versuchen herauszukristallisieren, was sie besonders mache. „Manchmal ist es sogar das Offensichtlichste“, sagt Vanessa Patrick. Wie etwa das One-Night-Stand, das die „Fliegenden Haie“ zusammengebracht habe. Hier hätten die Menschen definitiv „Bock auf mehr“.

Dozentin Vanessa Patrick ging im Rahmen des VPBy-Coaching auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer:innen ein. (Foto: David Lehmann)


Ihr Kollege David Lodhi kann das vollends unterschreiben. „Am wichtigsten ist die Musik. Wenn diese triggert, fangen Menschen an, sich auch mit dem Rest zu beschäftigen.“ Je einzigartiger dieser Rest aufbereitet sei, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Menschen von einem Act packen ließen. Und genau das führe letztlich auch zu Bookings. Seine Aufgabe bestehe darin, jungen Künstler:innen dabei zu helfen, in dieser „anstrengenden Musikbranche etwas länger am Start zu sein“.

Druck bringt Künstler:innen nicht weiter

„Wenn Künstler:innen die Möglichkeiten, die ihnen heutzutage angeboten werden, richtig nutzen, dann kann das für sie sehr beflügelnd sein“, ist Vanessa Patrick überzeugt. Sie gesteht jedoch, dass genau diese Fülle, die gerade das Internet biete, manche Acts überfordern könne. TikTok, Instagram, Booking, Managementsuche – das sei manchmal sogar abschreckend. Die Zeiten haben sich verändert, meint auch David Lodhi. In den 1990ern sei man in Jugendzentren unterwegs gewesen. „Die Bands, die wir dort gesehen haben, waren nicht greifbar. Es gab kein Youtube und Co. vielleicht gerade einmal Myspace.“ Die Situation für Newcomer:innen habe sich massiv verändert. „Es gibt viel mehr Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen, eine Story zu erzählen. Es ist nicht mehr wie früher nur die Bühne oder der Merchstand.“ Heute könnten schon vor dem ersten Kontakt viele Informationen über Acts „abgegriffen“ werden. Das müssten Acts heutzutage bereits „liefern“. „Dieser Herausforderung müssen sie sich stellen und als Teil des Bandkosmos akzeptieren.“ Die Musikbranche jetzt sei nicht besser oder schlechter als früher, sondern einfach nur anders.

VPBy-Ansprechperson Andreas Olschar bot einen Überblick über die Arbeit des Verbands für Popkultur in Bayern e.V. (Foto: David Lehmann)

Herrscht mehr Druck, sich durchzusetzen? Bedingt, meint Vanessa Patrick. Natürlich gebe es neue Möglichkeiten, die bereits im kleineren Rahme große Dinge ermöglichten. So könnte mittlerweile im eigenen Schlafzimmer ein ganzes Studio eingerichtet werden. Die Technik sei teils deutlich günstiger geworden, der Vertrieb, etwa auf Spotify sehr einfach. Damit schließe sich der Kreis: „Künstler:innen müssen versuchen, aus der Masse herauszustechen.“ David Lodhi beruhigt jedoch. „Ich glaube, der erste Schritt besteht darin, sich von diesem Druck zu lösen.“ Sein Appell: „Beginnt damit Musik zu machen, weil Ihr daran glaubt! Startet erst danach damit, das Reich der Möglichkeiten zu erkunden.“

Auftakt für nachhaltiges Arbeiten

Für die beiden local heroes Bayern-Organisatorinnen Dani Straßner und Nicole Oppelt war die neue Kooperation mit dem VPBy, die von „Lutzi“-Chef Christian Stahl angestoßen wurde, ein Glücksgriff. „Wir sind unendlich dankbar dafür, welche Chance allen Teilnehmer:innen an diesem Nachmittag geboten wurden“, sagt Nicole Oppelt. „Daran können sie nun anknüpfen und nachhaltig mit den Expert:innen an ihren individuellen Anliegen arbeiten.“ Das sieht auch „Lutzi“-Chef Christian Stahl so. „Wir freuen uns, das hier machen zu können und natürlich auch über den großen Andrang auf die Workshops. Gerne 2024 wieder!“

Text: Nicole Oppelt