Dicey Chills: „Wenn Musiker dabei sind, kommt immer etwas Gutes dabei raus!“
Seit 2017 rocken die Dicey Chills die thüringische Landeshauptstadt. Frontsänger Pavlo und Drummer Jan hatten sich zunächst in einer anderen Band kennengelernt. Lead-Gitarrist Noah komplettierte die Band im Oktober. Ihr charakteristischer Alternative Rock-Sound ist durch Einflüsse aus dem Metal und Metalcore geprägt.
Mit viel Leidenschaft, Disziplin und vor allem Freude an der Musik hat das Trio innerhalb weniger Monate seine Debüt-EP „Convalescence“ an den Start gebracht – und hat noch große Pläne. Zunächst ist die Alternative-Rockband am 1. September beim Landesfinale der local heroes bei den Erfurter BahnhofBeats auf der Bühne zu erleben. Es ist der erste Musik-Wettbewerb, den die Newcomer bestreiten.
Eure Debüt-EP „Convalescence“ ist gerade erschienen. Was können eure Hörer von der EP erwarten?
Jan: Auf musikalischer Ebene erwartet die Leute ein rockiger, leicht ins Metal gehender Musikmix. Wir spielen mit Gitarren, haben Breakdowns und Soli mit drin, verfolgen aber einen recht cleanen Gesangsstil. Bis auf eine Ausnahme gibt es keine Screams. Wir machen Musik, die sich jeder, der gerne Musik oder explizit Rockmusik hört, sehr gut anhören kann.
Pavlo: Wir hoffen, dass die Aufnahmen professionell wirken – auch wenn wir tatsächlich alles selbst bei uns zu Hause aufgenommen haben. Die EP umfasst unsere ersten fünf Songs und ist ein erstes Lebenszeichen. Wir schauen, was sich daraus als nächstes ergibt.
Noah: Es ist auf jeden Fall ein abwechslungsreiches Release, das nie langweilig wird. Wir arbeiten uns nicht an festen Songstrukturen ab und halten den Hörer so gut bei der Stange.
Das Release ist komplett handmade: Ihr habt nicht nur die Songs selbst geschrieben, sondern diese auch in Eigenregie aufgenommen und bringt die EP ohne Label raus. Welche Herausforderungen sind euch dabei begegnet? Wo seht ihr die Vorteile darin, alles auf eigene Faust zu machen?
Pavlo: Es ist schon krass, dass man heutzutage eigentlich alles machen kann, sogar ohne große Investitionen. Du brauchst einen PC, ein Interface, Instrumente und ein bisschen Software. Damit kann man zu Hause all das machen, was früher nur in riesengroßen Studios möglich war. Das ist unglaublich! Auf der anderen Seite kostet Produzieren viel Zeit. Ich glaube, am schwierigsten ist es, dran zu bleiben, gerade wenn man alleine an etwas arbeitet. Wir hatten das große Glück, als Band untereinander eine gewisse Verpflichtung zu spüren und uns gegenseitig zu motivieren.
Jan: Diese gegenseitige Motivation war auf jeden Fall notwendig. Wir haben alle super viel Bock, aber natürlich hatte jeder von uns mal einen Hänger, gerade wenn wir uns schon mehrmals pro Woche getroffen haben, um aufzunehmen, und immer noch an diesem einen Song hängen. Dann vermisst man die Freundin, möchte eigentlich schlafen – und ist doch wieder erst um 4 Uhr morgens zu Hause. Wir haben uns jedoch gegenseitig so gut motiviert, dass wir wirklich sehr akribisch an der EP gearbeitet haben.
Noah: Unser Perfektionismus war dabei eigentlich die größte Herausforderung. An manchen Aufnahmen saßen wir zwei Wochen lang. In unseren Augen hat sich die investierte Zeit aber absolut gelohnt.
Wie viel Zeit hat die Arbeit an der EP insgesamt in Anspruch genommen?
Pavlo: Ich würde sagen, ein Song nimmt etwa 100-150 Stunden in Anspruch. Das war manchmal schon ein Kampf.
Jan: Wir sind mit der Zeit natürlich auch viel besser im Produzieren geworden. Das hat dazu geführt, dass wir unsere ersten Aufnahmen zum Teil später nochmal neu aufgenommen haben, weil wir das Gefühl hatten, es inzwischen besser zu können.
Noah: Dann kam man zur Probe, dachte, der Song wäre im Kasten, und einer sagte „Nein, wir müssen das nochmal komplett neu aufnehmen!“ Das ist aber natürlich positiver Stress, denn, auch wenn es immer besser geht, sind wir jetzt an einem Punkt, wo wir die EP guten Gewissens veröffentlichen können.
Pavlo: Ein hoher Anspruch bringt natürlich auch ein hohes Frustpotenzial mit sich. Um Produzieren wirklich gut zu lernen braucht es Jahre. Wenn man sich dann mit anderen Bands vergleicht, deren Aufnahmen viel geiler klingen, motiviert das aber auch, weiter an den eigenen Sachen zu feilen. Im Entstehungsprozess der EP ist sicher alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Auf diese Weise habe ich viel gelernt, nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich, über den Umgang mit Schwierigkeiten.
Einer eurer nächsten Live-Gigs wird das Landesfinale der local heroes sein. Habt ihr schon Erfahrungen bei Bandcontests gesammelt?
Jan: Vor etwa sechs Jahren habe ich bei einem Bandcontest gespielt. Das war eine coole Erfahrung – nicht, weil wir so gut waren, sondern weil es so viele andere gute Bands gab, zu denen wir Kontakte knüpfen konnten. Ansonsten haben wir bislang überhaupt keine Erfahrungen mit Wettbewerben gesammelt.
Noah: Ich habe mal bei einem Song-Contest mitgemacht, der jedoch ausschließlich online abgehalten wurde. Das war cool, gerade weil ich recht weit gekommen bin, aber eigentlich finde ich es wichtiger, vor Leuten aufzutreten. Persönliches Feedback ist immer besser, und auf der Bühne stehen macht einfach Spaß. Deshalb möchten wir auch bei local heroes auftreten.
Was versprecht ihr euch von eurer Teilnahme?
Pavlo: Ich persönlich erwarte nicht, dass wir gewinnen, auch wenn wir dafür natürlich trotzdem alles tun werden. Aber darum geht es eigentlich nicht. Ich freue mich vor allem, dass auch andere Finalisten aus dem Metal kommen. Wenn Leute dabei sind, die ähnliche Musik machen, kann man voneinander lernen.
Jan: Ich bin auch sehr gespannt auf die anderen Bands. Einige davon habe ich mir online schon angehört. Grundsätzlich freue ich mich immer, wenn ich mit Leuten live spielen kann, deren Musik ich gut finde und mit denen ich mich nach dem Auftritt austauschen kann – vielleicht gibt man sich Tipps, oder klopft sich nur auf die Schulter.
Noah: Andere Bands bei so einem Wettbewerb zu erleben ist auch Inspiration für die eigene Musik. Man kann nur lernen. Generell gilt doch: Wenn Musiker dabei sind, kommt immer etwas Gutes dabei raus – sowohl menschlich als auch musikalisch.
Mit etwas Glück werdet ihr Thüringen im Bundesfinale der local heroes vertreten. Inwiefern identifiziert ihr euch als Band mit dem Bundesland? Zwei Drittel von euch leben ja noch nicht allzu lang hier.
Jan: Ich bin generell kein Mensch, der sich mit einem Bundesland oder einer Nationalität identifiziert. Das liegt aber nicht an Thüringen.
Noah: Ich bin der einzige von uns, der ursprünglich aus Thüringen kommt, und kann mich natürlich schon ein Stück weit mit meinem Heimat-Bundesland identifizieren. Wenn ich aber darüber nachdenke, was Thüringen ausmacht (Pause), fällt mir, salopp gesagt, zuerst das Essen ein. Thüringer Bratwurst, Thüringer Klöße – die esse ich leider nicht sonderlich gern. Klar ist Thüringen auch Reformland. Aber sich darüber mit einem Land zu identifizieren, finde ich schwierig.
Pavlo: Ich komme aus der Ukraine und bin nach Erfurt gekommen, um zu studieren. Ich bin damit sicher kein klassischer Repräsentant für Thüringen. Letztlich geht es bei local heroes aber ja vor allem um die Musik.
Jan: Und mit unserer Musik sind wir, denke ich, würdige Vertreter für das Bundesland. Deshalb würden wir uns auch glücklich schätzen, Thüringen im Bundesfinale zu vertreten.
Wie nehmt ihr denn die Musikszene in Thüringen und explizit in Erfurt wahr? Habt ihr das Gefühl, dass es eine große Szene und viel Miteinander gibt?
Noah: Es gibt auf jeden Fall Verbesserungspotenzial. Das ist auch der Grund, warum es bei mir zwei Jahre gedauert hat, bis ich in Erfurt eine Band gefunden habe, die musikalisch zu mir passt. In Erfurt gibt es viele Indie-Bands, die live ziemlich gut sind, und eine große House-Szene, die die Clubs dominiert. So schön es ist, dass hier viele Leute musikalisch unterwegs sind – im harten Bereich findet man nur selten etwas.
Jan: Wir haben das Gefühl, die einzigen zu sein, die genau diese Musik machen wollen. Noah zu finden war deshalb ein riesiges Glück. Neue Leute zu suchen war nämlich gar nicht so leicht – vor allem Bassisten. Einige waren beim Vorspiel, fanden aber unsere Richtung zu hart oder konnten aus persönlichen Gründen nicht weitermachen. Deshalb haben wir uns inzwischen unseren eigenen „Bassisten“ am Computer programmiert (lacht). Zu dritt passt es jetzt aber einfach perfekt, und jeder aus der Band ist unersetzlich.
Pavlo: In Erfurt ist viel zu wenig los, zumindest im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin. Dort war ich mit meiner Westerngitarre mal als Straßenmusiker unterwegs und bin bei einer Open Mic-Veranstaltung in einem Café gelandet. Da habe ich auf einen Schlag viele Menschen kennen gelernt. Diese Vernetzung funktioniert in Erfurt leider nicht so gut. Es ist zum Teil sogar schwierig, irgendwo aufzutreten. Wir haben viele Anfragen rausgeschickt, aber bisher nur einmal in Erfurt gespielt. Das würden wir uns anders wünschen.
Noah: Aber deswegen wollen wir uns ja auch dafür einsetzen, dass Erfurt eine repräsentative Band hat, die etwas härter ist.
Ihr sagt ja von euch selbst, dass ihr „noch jung und naiv“ seid. Wenn ihr einen völlig naiven Wunsch freihättet, was würdet ihr gern mit Dicey Chills erreichen?
Jan: Ich würde gerne als Headliner bei „Rock am Ring“ spielen!
Pavlo: Viel wichtiger finde ich es, auf Tour zu gehen. Erst gestern haben Jan und ich darüber geredet, ob wir uns wünschen würden, berühmt zu werden. Und ich möchte das eigentlich nicht unbedingt.
Jan: Es ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich möchten wir mit der Musik erfolgreich sein. Wir würden aber auch gern beim REWE um die Ecke noch Zigaretten holen, ohne dass uns jemand erkennt. Ich glaube, wir haben alle den Traum, von unserer Musik irgendwann leben zu können und gut über die Runden zu kommen. Die Welt zu bereisen und dabei das zu machen, was man am liebsten tut, mit Menschen, die man mag, und vor Leuten zu spielen, die die eigene Musik mögen – das ist eine wundervolle Vorstellung!
Pavlo: Ich persönlich versuche allerdings auch, Musik für mich zu machen. Ich möchte Musik machen, die aus dem Herzen kommt, ganz gleich ob Metal oder Blues. Ob das im Trend liegt, oder die Menschen gerade das hören wollen, spielt keine Rolle. Es geht darum, das zu machen, worauf wir Bock haben.
Jan: …und wenn die Leute das dann auch noch feiern, ist es ideal.
Die EP „Convalescence“ ist digital sowie auf CD erhältlich. Weitere Infos: http://bands.local-heroes.de/dicey_chills und https://www.facebook.com/dicey.chills/
Interview: Lina Burghausen von Mona Lina
Bild: Pressebild von Dicey Chills