Joyce November: Die wichtigste Master-Regel: Niemals aufgeben!
Musik spielt für die Wahl-Erfurterin Joyce November seit ihrer frühsten Kindheit eine große Rolle. Bereits in der Grundschule schrieb sie eigene Songs, entdeckte schließlich die Gitarre für sich und sammelte erste Live-Erfahrungen in diversen Bands.
Seit ungefähr fünf Jahren ist die Singer/Songwriterin nun solistisch aktiv, hat zwei Alben komplett im Alleingang veröffentlicht – und wird sich beim diesjährigen Landesfinale der local heroes gegen sechs Bands aus ganz Thüringen behaupten.
Das local heroes-Landesfinale am 1. September wird für dich als Wahl-Erfurterin ein Heimspiel. Ist es für dich noch etwas Besonderes, in Erfurt zu spielen?
Klar. Im Grunde ist jeder Auftritt etwas Besonderes, weil keine Show der anderen jemals aufs Haar gleicht. Es bleibt also immer spannend. Bei einem Bandcontest wie local heroes kommt noch eine gute Portion Neugier dazu: Das ist eine tolle Chance, neue Leute kennen zu lernen und sich einem breiteren Publikum zu präsentieren. Gerade wenn man als Künstlerin noch nicht so etabliert ist, ist es schön, so eine Plattform zu bekommen.
Du bist nicht nur die einzige weibliche Teilnehmerin im Landesfinale, sondern auch die einzige Solistin in diesem Jahr. Wie kommst du als Solistin mit Gitarre gegen die Soundkonzepte einer mehrköpfigen Band an?
Äpfel und Birnen lassen sich ja bekanntlich nur schwer vergleichen: Natürlich kann ich als Solokünstlerin nicht die Bandbreite an Sounds und Möglichkeiten abfahren, die eine komplette Band hat, gerade weil ich ohne Midi-Tracks und ähnliche Effekte arbeite. Das muss aber nicht zwangsläufig ein Nachteil sein. Ich versuche immer, meine Songs im Rahmen meiner Möglichkeiten spannend und abwechslungsreich zu gestalten. Da kann man durch den Einsatz verschiedenster Gitarren-Techniken wie Picking, Strumming, Dead-Notes, Rhythmik, Percussion und ein paar Effekten wie Stomp-Box und Delay schon einiges erreichen. Außerdem mag ich es ganz gern, dass der Fokus bei einer „reduzierten“ Interpretation stärker auf den Songs selbst und dem Songwriting liegt. Texte spielen für mich eine große Rolle. Dass ich die einzige weibliche Teilnehmerin bin, finde ich schade. So entsteht oft der Eindruck, dass es deutlich mehr Musiker gibt als Musikerinnen. Dabei kenne ich einige tolle weibliche Kolleginnen, die ich gerne öfter auf den Bühnen des Landes erleben würde.
Hast du eine Ahnung, woran es liegen könnte, dass Musikerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen oft so sehr in der Unterzahl sind?
Das ist eine sehr gute Frage. Am ehesten sieht man Frauen noch als Sängerinnen auf der Bühne, aber gerade bei Instrumenten fällt die "Frauenquote" doch recht mau aus. Ich habe allerdings keine Ahnung, woran das liegt. Klar könnte man da jetzt die Gender-Keule auspacken und anfangen, klassische Rollenbilder zur Verantwortung zu ziehen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das der Thematik tatsächlich gerecht wird und die Antwort wirklich so einfach ist. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert. Ein Grund könnte sein, dass die meisten Musikerinnen und Musiker in jungen Jahren den Grundstein für ihre musikalische Laufbahn legen. Gerade Teenies haben oft mit diversen Unsicherheiten zu kämpfen, sich auf eine Bühne zu stellen erfordert vor allem an Anfang aber ein großes Maß an Mut und Selbstvertrauen. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Mädels diesen Schritt nicht gehen, da sie nicht den Rückhalt haben, der sich zum Beispiel aus einer Gruppe aus den drei besten Kumpels ergibt. Dazu kommt, dass man als Musikerin häufig erst weniger ernst genommen wird. Da drüberzustehen und es trotzdem zu machen kostet Überwindung. Gerade als einziges weibliches Mitglied einer Band braucht man hin und wieder starke Nerven. Der Umgang unter Männern ist einfach ein anderer und manche Kollegen bekommen auch recht schnell Ego-Probleme, wenn sie merken, dass man als Frau durchaus das gespielte Instrument beherrscht. Das soll kein Generalurteil über Männer sein, entspricht aber den Erfahrungen, die ich über die Jahre gemacht habe. Es gibt natürlich auch genug Beispiele, wo die Zusammenarbeit super funktioniert, und ich denke gerne an diverse tolle Gigs in Combos zurück, die genderübergreifend zwischenmenschlich wunderbar harmoniert haben.
Deine beiden Alben „Zwischen Denken und Fühlen“ und „Mut zum Scheitern“ hast du komplett in Eigenregie rausgebracht. Auch alle anderen Aufgaben – deine Rechteverwertung, dein Booking hast du von Anfang an selbst in die Hand genommen. War es eine bewusste Entscheidung, als Independent-Künstlerin ohne Label deinen Weg zu gehen? Wo siehst du da Vorteile?
Es war insofern eine bewusste Entscheidung, als dass ich mir dachte: Ich fang jetzt einfach an und schaue mal, wie ich aus eigener Kraft vorankomme. Das ganze Modell vom Musikmachen funktioniert ja heute Gott sei Dank nicht mehr so, wie noch vor zehn oder 20 Jahren. Damals hatte man ohne Label-Deal kaum Möglichkeiten, seine Musik für andere zugänglich zu machen. Ich bin in allem kreativen, was ich tue, sehr intuitiv. So kam eins zum anderen. Ich wollte meine Songs vor Leuten spielen, also suchte ich mir selbst ein paar Auftrittsmöglichkeiten. Ich wollte die Songs aufnehmen, also schaute ich, wo und wie ich das machen kann, und wie ich die Musik dann ins Presswerk und auf die gängigen Internet-Portale bekomme. Im Grunde bin ich nach dem klassischen „Learning by Doing“-Prinzip vorgegangen. Dabei stellte ich fest: Hey, das kann man in Zeiten des Internets ja wirklich alles selbst machen. Natürlich ist das eine ganze Menge Arbeit, es motiviert aber auch, dranzubleiben. Den größten Vorteil sehe ich aber natürlich darin, dass man am Ende des Tages über alles, was man tut, die vollständige kreative Kontrolle hat.
Für viele Independent Artists sind solche organisatorischen Aufgaben wie Booking, Vertrieb und Co zunächst sehr überfordernd. Welche Tipps kannst du jungen Musiker*innen mit auf den Weg geben?
Ich habe drei wichtige Tipps für junge Musikerinnen und Musiker. Zum ersten: Nutzt das Internet! Dort findet man heutzutage alles. Es gibt Blogs, Videokurse, Artikel, Foren – bedient euch am Informationsbuffet! Ganz gleich ob es um Tipps zum Songwriting geht, ihr wissen wollt, was ein ISRC ist oder ihr euren Vertrieb oder eure GEMA abwickeln möchtet – das geht alles mit ein paar Klicks. Das Internet ist pures Gold für alle, die ihre Musik selbst in die Hand nehmen wollen.
Mein zweiter Tipp: Redet mit Menschen. Kommt mit anderen Bands ins Gespräch, tauscht euch über Erfahrungen aus oder fragt, wie ihr dieses oder jenes machen könntet. Viele Wege führen nach Rom, aber jemanden zu fragen, der entweder im gleichen Boot sitzt oder aber auch schon da ist, wo man mal hinmöchte, ist nie eine schlechte Idee. Am Ende soll Musik ja auch Menschen zueinander bringen und Kommunikation ist immer ein guter Schlüssel zum Weiterkommen.
Und drittens: Macht einen Schritt nach dem anderen. Zerlegt euch große Ziele in Teilziele! Ein Album aufzunehmen und zu veröffentlichen klingt nach einer Mammut-Aufgabe, ist, in Häppchen zerlegt, aber gut zu bewältigen. Die Schritte könnten sein: 1.) Songs schreiben und proben. 2.) Demos aufnehmen. 3.) Studio suchen. 4.) Aufnehmen. 5.) Mixen & Mastern lassen. 6.) Artwork erstellen 7.) Presswerk suchen. 8.) GEMA regeln. 9.) Online-Distributor suchen – und so weiter. Auch hier gilt wieder: Viele Wege führen nach Rom. Und die wichtigste Master-Regel ist sowieso: Niemals aufgeben!!!
Erfurt hat mit Künstlern wie Clueso und Norman Sinn eine gewisse Singer-Songwriter-Historie vorzuweisen. Hat Erfurt einen typischen Sound? Und was macht die Musikszene der Stadt in deinen Augen aus?
Ich würde nicht sagen, dass es DEN Erfurt-Sound gibt. Neben den bekannten Namen hat die Stadt eine riesige Bandbreite musikalischer Stilrichtungen zu bieten, das geht von Singer/Songwritertum über Pop, Rock, Punk, Jazz, Soul, HipHop und Alternative bis hin zu Ska und Hardcore. Die Erfurter Musikszene ist sehr bunt. Da die Stadt nicht so groß ist, kreuzen sich die Wege der meisten Musikerinnen und Musiker früher oder später mal und man tauscht sich aus oder besucht gegenseitig Gigs. In Erfurt und generell in Thüringen gibt es in jedem Fall eine ganze Menge zu entdecken.
Über 80 Konzerte hast du schon gespielt, zwei Alben veröffentlicht und nun stehen die local heroes an. Wie wird es für dich weitergehen?
Hoffentlich ganz genauso – mit mehr Konzerten, mehr Alben und mehr Kontakt zu anderen Musikern und interessanten Menschen. Egal was passiert, ich hoffe in jedem Falle, dass die Musik für mich nie aufhört.
„Mut zum Scheitern“ und „Zwischen Denken und Fühlen“ sind digital und auf CD erhältlich. Weitere Informationen: http://bands.local-heroes.de/joyce_november, http://www.joyce-november.de/ und https://www.facebook.com/joycenovember.musik/
Interview: Lina Burghausen von Mona Lina
Bild: Pressebild von Joyce November