The Great Cascade: „Eine Band ist immer auch ein Stück weit Familie“
Im ostthüringischen Gera sorgen The Great Cascade seit etwa zwei Jahren für einen ungewöhnlichen Sound. Mit mehrstimmigen Gesangssätzen und multiinstrumentalen Folk-Elementen begeistern die vier Musiker spätestens seit ihrer 2017 erschienenen Debüt-EP „Shelter“.
Die Band kennt sich zum Teil noch aus Schulzeiten und ist seit zwei Jahren unter ihrem aktuellen Bandnamen aktiv. Am 1. September treten The Great Cascade vor dem Einkaufsbahnhof Erfurt im Landesfinale der local heroes an und werden Jury und Publikum mit ihren Live-Qualitäten zeigen, warum sie es verdient haben, Thüringen im Bundesfinale zu vertreten.
Euer Musikstil kombiniert viele verschiedene Genres miteinander, dennoch habt ihr einen sehr charakteristischen Sound. Könnt ihr mir einen Einblick geben, wie eure Songs entstehen?
Florian: Das ist unterschiedlich. Am Anfang hat unser Frontmann Lukas die Hauptarbeit beim Songwriting geleistet. Wir haben dann noch Klavier- oder Schlagzeug-Elemente ergänzt, die Gitarre dazu genommen und mehr und mehr um den Song herum gebaut. Im Laufe der Zeit hat auch Jonathan Songs dazu gesteuert, und irgendwann auch Benjamin und ich.
Jonathan: Heute ist es so, dass einer von uns eine Grundidee hat und wir dann gemeinsam an dem Song arbeiten. Gerade die Arrangements für die Mehrstimmigkeit entstehen meist im Proberaum. Da ich inzwischen wieder in Thüringen lebe – zwischenzeitlich habe ich in Dresden gewohnt – ist das auch leichter zu realisieren.
Benjamin: Uns ist es wichtig, dass jeder aus der Band seinen Teil dazu beitragen kann. Manche Song-Ideen entstehen auch aus dem gemeinsamen Jammen heraus. Hauptsache, jeder kann seinen Senf dazugeben und ist zufrieden mit dem, was passiert.
Wie organisiert ihr euch als Band? Übernimmt jeder eine feste Aufgabe, z.B. das Booking?
Jonathan: Eine klare Aufgabenverteilung wäre natürlich ideal. Das ist aber nicht immer mit dem Alltag der einzelnen Bandmitglieder kompatibel, zum Beispiel in Prüfungsphasen. Deshalb sind wir in unserer Organisation eher flexibel.
Benjamin: In den letzten paar Monaten haben sich dennoch bestimmte Aufgabenteilungen ergeben. Lukas ist eher der kreative Typ, der zum Beispiel in der Gestaltung eines Konzert-Intros aufgeht. Da ich ein recht strukturierter Mensch bin, versuche ich, einiges an Organisation abzuarbeiten. Bei uns packt aber jeder ein Stück weit mit an. Auch in unseren wöchentlichen Proben nehmen wir uns Zeit für organisatorische Fragen.
Welche Bereiche sind für euch dabei besonders herausfordernd?
Jonathan: Hier in Ostthüringen sind wir gut vernetzt und könnten ständig spielen. Als kleinere Band ist es jedoch schwierig, außerhalb dieses Kreises zu landen, gerade im Bereich Booking. Auch die Veranstalter müssen natürlich schauen, dass sie ihren Club vollkriegen, was mit uns als unbekannter Band schwierig ist. Und uns bringt es ebenso wenig, vor einer leeren Location zu spielen. Ich war eine Zeit lang Teil einer Metal-Band – und wenn man wiederholt vor sieben Mann spielt, fragt man sich irgendwann, warum man den weiten Weg auf sich genommen hat. Das ist aber ein generelles Problem, das die Musikszene gerade hat. Junge Leute gehen lieber in Clubs und tanzen zu Elektro. Gerade zu Konzerten unbekannterer Bands gehen sie nicht, weil sie nicht wissen, was sie erwartet. Sie sparen lieber 100 Euro für eine Show der großen Band, die im Radio läuft. Das macht uns natürlich zu schaffen.
Lukas: Bei uns kommt noch dazu, dass man unsere Musik schwer in Schubladen stecken oder klar definieren kann. Gerade gegenüber Veranstaltern, die uns nicht kennen, ist das ein Problem. Falls du also eine Idee hast, wie man unseren Stil nennen kann, sag uns bitte Bescheid. (lacht)
Benjamin: Das Live-Konzept unserer Musik, die sehr familiär und emotionsreich ist, an den Mann zu bringen, ist wirklich eine Herausforderung. Unsere Musik soll eben nicht nur einfach so gehört werden – wir möchten, dass die Seele dabei rüberkommt.
Das local heroes Landesfinale ist nur einer von mehreren Bandcontests, die ihr in diesem Jahr spielt. Was fasziniert euch an Musikwettbewerben?
Lukas: Musikwettbewerbe sind eine recht einfache Möglichkeit, mal aus dem eigenen Spektrum rauszukommen und neue Leute kennenzulernen. Ich persönliche fahre da nicht unbedingt mit dem Ziel hin, alles zu gewinnen, sondern freue mich über die Chance, die eigene Musik in die Welt hinaus zu tragen und vielleicht etwas bekannter zu machen.
Jonathan: Zwar wird man durch die meisten Bandwettbewerbe nicht wirklich bekannt, aber ich finde die Vernetzung mit anderen Musikern aus Thüringen sehr wichtig. Neben unserer Region sind wir auch viel in Sachsen unterwegs. Da ist es wirklich wertvoll, Leute kennen zu lernen, die nicht nur aus dem eigenen Umfeld kommen, zum Beispiel andere Bands, und eben auch ein neues Publikum.
Und was hat euch zu eurer Teilnahme explizit bei local heroes bewogen?
Jonathan: Was local heroes vor allem auszeichnet, ist, dass die gesamte Organisation sehr professionell ist. Dass die Kommunikation zum Beispiel so gut funktioniert, ist bei Veranstaltern nicht immer der Fall. Man weiß, woran man ist, es gibt klare Absprachen und das ist sehr angenehm.
Benjamin: Wir haben es schon öfter bei anderen Veranstaltern – wenn auch nicht unbedingt bei Wettbewerben – erlebt, dass durch mangelnde Kommunikation Missverständnisse aufgetreten sind. Das ist ärgerlich. Es ist wirklich krass, wie gut durchgeplant alles bei local heroes ist, und zwar von der ersten E-Mail an. Uns als Musiker nimmt das ein gutes Stück von der Masse, die einem vor so einem Auftritt auf dem Herzen liegt, weil viele Sachen von vornherein abgesprochen sind. Darüber hinaus haben uns aber auch die Angebote von local heroes und die gesamte Darstellung des Contests zugesagt und zu einer Bewerbung bewogen. Das klang alles sehr vielversprechend und wir sind gespannt auf das Finale.
Wenn ihr das Landesfinale gewinnt, werdet ihr Thüringen im Bundesfinale der local heroes vertreten. Inwiefern prägt eure Heimat euch bei der Entstehung neuer Musik? Wie viel Thüringen und Gera stecken in The Great Cascade?
Jonathan: Das beste Beispiel, um deine Frage zu beantworten, ist der Song „Where I’m From“, den wir gerade aufgenommen haben und zu dem wir ein Musikvideo planen. In „Where I’m From“ kommt unser Verhältnis zu unserer Heimat, unseren Wurzeln, sehr gut zum Tragen. Der Song stammt aus meiner Zeit in Dresden. Mein Lebensmittelpunkt war zu dieser Zeit noch immer Thüringen, besonders natürlich Gera. An diesem Ort hängen so viele Erinnerungen, so viele Freunde, das spielt für mich als sehr verwurzelten Menschen eine große Rolle. Und auch sonst beeinflusst unsere Umwelt natürlich unsere Musik. Insbesondere die Natur ist für mich immer eine wichtige Inspirationsquelle – und die ist in Thüringen einfach wunderschön. Der Nationalpark Hainich ist da ein schönes Beispiel, oder auch der Thüringer Wald. Thüringen ist für uns auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit.
Abgesehen vom Landesfinale: Welche Steps habt ihr als nächstes geplant? Was sind eure Pläne für den Rest des Jahres und darüber hinaus?
Benjamin: Ende des Jahres möchten wir nochmal ins Studio gehen, um drei oder vier weitere Songs einzuspielen, die idealerweise gut mit „Where I’m From“ harmonieren. Diese Songs möchten wir dann als neue EP rausbringen. Wir können uns auch vorstellen, diesmal einen Schritt weiter zu gehen, und uns bei dem einen oder anderen Label vorzustellen.
Jonathan: Im Idealfall bringen wir in diesem Jahr noch eine Single und ein Musikvideo raus. Die EP soll dann Anfang nächsten Jahres erscheinen.
Welchen Tipp könnt ihr anderen Newcomer-Bands aus Thüringen geben?
Jonathan: Junge Bands sollten unbedingt die Zeit nutzen, in der sie noch in derselben Stadt leben. Als wir mit 14 unsere ersten Bands aufgezogen haben, hatten wir unglaublich viel Zeit. Auch wenn ich weiß, dass Schüler das nicht gern hören: Diese Zeit und die Nähe sollte man unbedingt nutzen! Wir können aber auch sagen, dass Entfernung kein Hindernis ist. Wichtig ist, dass man die Band und die damit einhergehenden Aufgaben fest in den Alltag integriert. Regelmäßiges Proben ist das A und O, um voranzukommen.
Benjamin: Auch eine offene Kommunikation ist unglaublich wichtig – viel miteinander zu reden, und nicht allem direkt negativ entgegen zu stehen. Eine Band ist immer auch ein Stück weit Familie, zumindest ist es bei uns so.
Die EP „Shelter“ ist digital verfügbar. Weitere Informationen: http://bands.local-heroes.de/the_great_cascade und https://www.facebook.com/TheGreatCascade/.
Interview: Lina Burghausen von Mona Lina
Bild: Pressebild von The Great Cascade