Tonbandgerät: „Man sollte sich immer treu bleiben“
TONBANDGERÄT kommen als Headliner zu den BahnhofBeats am 14. September 2019 an den Erfurter Hauptbahnhof. Die Hamburger Band verkürzt dem Publikum die Zeit bis zur Siegerehrung. Das Open Air-Konzert können alle Interessierten kostenfrei besuchen. Die BahnhofBeats werden präsentiert von Mein Einkaufsbahnhof, Deutsche Bahn, diePOP und Aktion Musik / local heroes e.V.
Am 14. September finden in Erfurt die BahnhofBeats 2019 statt. Auf der großen Bühne vor dem Hauptbahnhof werden dort die Finalist*innen von local heroes Thüringen um den Einzug ins Bundesfinale performen. Doch nicht nur Thüringens beste Newcomer*innen bieten Grund zur Vorfreude: Als Headliner wird die Hamburger Band Tonbandgerät die Zeit bis zur Siegerehrung überbrücken. Schon jetzt fiebert die Band, die gerade in ihrem Proberaum den hochsommerlichen Temperaturen trotzend an einem neuen Album arbeitet, ihrem Gig in Erfurt entgegen. Dass es dort schon neues Material zu hören geben wird, ist „kategorisch nicht auszuschließen“, macht die Band neugierig. Mit der Bahn werden Ole, Sophia, Isa und Jakob wohl eher nicht fahren: „Mir tun immer die Leute leid, die mit uns im Abteil sitzen, weil es dann doch immer sehr laut wird.“ Laut wird es wohl auch bei den BahnhofBeats werden: Tonbandgerät sprachen mit uns über ihre aktuellen Projekte und wichtige Tipps, die sie jungen Bands und Musiker*innen mit auf den Weg geben möchten.
Gerade ist es verhältnismäßig still um euch – richtig los geht es wieder im Dezember, wenn ihr in eure „Zwischen all dem Lärm“-Tour startet. Wie verbringt ihr den Sommer?
Ole: Tatsächlich viel im Proberaum. Da sind wir auch gerade jetzt und schreiben ganz viel an neuen Songs für unsere nächste Platte.
Im September werdet ihr den Proberaum verlassen, um bei den BahnhofBeats in Erfurt zu spielen. Ole, durch deine Verbindung zum KiKA hast du ja schon eine gewisse Connection zu Erfurt. Wie oft warst du schon hier und wie gefällt dir die Stadt?
Ole: Für die Aufzeichnungen mit dem KiKA war ich in Wiesbaden, aber als Band haben wir schon mehrmals in Erfurt gespielt und hatten dort wirklich schöne Konzerte. Erfurt ist ja auch ein bisschen durch Clueso auf die Karte gebracht worden und ich habe mir immer gern Interviews angeguckt, wo er durch die Stadt streift. Das ist auf jeden Fall schön. Wir waren bei unseren Auftritten immer so ein bisschen in der Altstadt unterwegs, aber so richtig viel Zeit, um uns die Stadt anzusehen, hatten wir bisher leider nicht.
Du sitzt in der Jury bei der Sendung „Dein Song“, wo es darum geht, junge Songwriting-Talente zu fördern. Auch als Band hattet ihr in einem Jahr die Patenschaft für eine Nachwuchs-Songwriterin übernommen. Bei local heroes steht der Musiknachwuchs ebenfalls im Mittelpunkt: Hier bekommen Newcomer-Bands und Solist*innen ihre Chance auf der großen Bühne. Welchen Tipp würdet ihr unseren Teilnehmenden mit auf ihren Weg ins Musikgeschäft geben?
Ole: Wir haben viel durch unsere lange Bandgeschichte gelernt und auch den einen oder anderen Wettbewerb mit Jurybewertung mitgenommen. Die wichtigste Regel ist: Man sollte sich immer treu bleiben, seine Musik machen und daran glauben. Das war das, was uns so weit gebracht hat. Wir haben uns nicht verändert oder auf das gehört, was andere gesagt haben: „Mach mal dies, Mach mal das. Das ist gerade angesagt.“ Wir haben schon immer die Musik gemacht, auf die wir Lust hatten und die aus uns rauskam. Das ist im Endeffekt die beste Strategie.
Sophia: Auch wenn man nicht direkt der Sieger von local heroes wird, sollte man sich nicht entmutigen lassen, sondern weiter machen. Wir wurden nach einem Wettbewerb mal völlig vernichtet von der Jury. Danach sind wir einfach in den Proberaum und haben vier Mal pro Woche geprobt. Das hat uns sehr weit nach vorne gebracht.
Ole: Auf jeden Fall. Was wir anderen Bands gern mitgeben möchten, ist: Bleibt am Ball! Hört nicht auf, sondern macht einfach immer weiter. Am Anfang dauert es manchmal sehr lang, bis man einen richtig tollen Song schreibt oder bis die tollen Songs, die man schreibt, auf der Bühne auch richtig rüberkommen.
Sophia: Meinungen sind ja außerdem verschieden: Auch wenn in der Jury ein, zwei Leute sitzen, die eure Musik nicht verstehen, heißt das nicht, dass sie schlecht ist. Man sollte nicht jedes Feedback für bare Münze nehmen, sondern genau so seinen Weg weitergehen.
Ihr habt eine ganz schöne Entwicklung hinter euch: Von der Schülerband bis auf die Bühne der Elbphilharmonie und alle großen Festivals, dazu eine Tour durch die USA. Gab es einen besonderen Moment, an dem ihr gemerkt habt: Der Traum von einer Karriere als Musiker*innen könnte wirklich wahr werden?
Ole: Ich glaube, da könnten wir alle etwas anderes sagen. Für uns war das eher ein schleichender Prozess. Nach und nach kamen irgendwelche guten Sachen dazu, und dadurch, dass das so lang gedauert hat, gab es für mich nicht so diesen einen Moment. Hattet ihr einen?
Sophia: Den eigenen Song das erste Mal im Radio zu hören – da fühlt man sich schon so, als hätte man es geschafft.
Isa: Und die Vertragsunterzeichnung bei einem Label. Da spätestens haben wir realisiert, dass das gerade wirklich passiert.
Ole: Das erste Mal auf dem Hurricane zu spielen, das war für uns auch so ein Ding. Das ist das Festival unserer Jugend, wo wir jahrelang selbst Gäste waren. Dort auf der Bühne zu stehen, das war richtig gut.
Ihr kennt euch größtenteils ja schon aus Schulzeiten, im Falle von Sophia und Isa sogar schon euer ganzes Leben lang. Welche Tipps habt ihr für Nachwuchsmusiker*innen, die auf der Suche nach Bandmitgliedern sind? Worauf sollte man achten?
Ole: Auf jeden Fall sollte es menschlich passen. Natürlich gibt es auch Musikprojekte, die von Anfang an einen professionellen Anspruch haben und einfach nur die besten Musiker haben wollen. Uns ging es aber immer darum, dass wir auch Freunde sind oder werden. Dass man sich gut versteht und auf einer Wellenlänge ist, ist eigentlich fast das Wichtigste.
Sophia: Und, nicht zu vergessen, dass man ungefähr die gleiche Musik hört. Sonst wird es irgendwann schwierig.
Ein besonderes Highlight erwartet euch einen Monat nach dem local heroes-Landesfinale: Im Oktober bekommt ihr den Initiativpreis Deutsche Sprache verliehen. Wieso hattet ihr euch entschieden, auf Deutsch zu singen und was macht für euch die Faszination an der deutschen Sprache aus?
Sophia: Ich weiß gar nicht, ob wir uns überhaupt darüber unterhalten haben, ob wir das auf Deutsch machen wollen. Irgendwie hat sich das für uns sehr natürlich angefühlt. Das war eine Zeit, wo es noch gar nicht so präsent wie jetzt war, dass Bands auf Deutsch singen. Aber wir können auf Deutsch genau das sagen, was wir sagen wollen, ohne es durch so einen Wörterbuchfilter zu jagen.
Im Mai habt ihr, Sophia und Ole, einen eigenen Podcast gestartet. Wie kamt ihr auf die Idee, vor euren Fans über Gott und die Welt zu reden, und was fasziniert euch am Format Podcast?
Ole: Ich finde das Format einfach richtig cool, weil man einfach mal so aus der Hüfte etwas rausschießen kann. Gerade wenn man solche Musik macht, wie wir, arbeitet man eigentlich völlig anders. Man arbeitet ganz lange für sich an irgendwelchen Projekten, und veröffentlicht es dann erst irgendwann. Das ist ein sehr langer, aber auch sehr schöner Prozess. Beim Podcasten ist das aber ganz anders. Das ist spontaner und schneller. Darüber hinaus hatten wir jetzt einfach das Gefühl: Wir sind gerade hier im Proberaum, schreiben Songs und haben so wenig mit unseren Leuten zu tun, weil wir nur noch in Hamburg sind. Da möchten wir unseren Fans trotzdem ein bisschen mitteilen, was wir hier so machen.
So ein Podcast ist eine spannende Möglichkeit, Leute zu erreichen. Müssen Künstler*innen heute solche eher ungewöhnlichen und innovativen Wege gehen, um erfolgreich zu sein? Viele, gerade ältere Generation an Musiker*innen tun sich ja eher schwer mit den Möglichkeiten des Internets…
Isa: Es gibt ja verschiedene Wege, mit seinen Fans in Kontakt zu bleiben. Da sind Instagram, YouTube oder ein Podcast natürlich hilfreich. Das ist auch cool, um mal Zeit zu überbrücken, wenn man gerade keine Konzerte spielt. Die Konkurrenz bleibt ja in der Zwischenzeit weiterhin aktiv, und heutzutage gerät man schnell in Vergessenheit, wenn man sich mal ein halbes Jahr völlig zurückzieht. Aber andererseits ist das natürlich auch einfach etwas, was Spaß macht.
Ole: Man kommt durch diese ganzen Plattformen super mit seinen Fans in Kontakt und kann sich austauschen. Das merken wir mit unserem Podcast gerade voll: Da nehmen sich Leute wirklich eine Stunde Zeit, um sich das anzuhören. Und wenn man auf diese Weise über irgendwelche Themen miteinander ins Gespräch kommt, macht das wirklich Spaß. Man kann so ein wenig abchecken, was die Leute so denken, worauf sie Lust haben und so weiter. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie sich das noch entwickelt.
Sophia: Für Nachwuchskünstler gilt aber auch: Niemand muss einen Podcast machen. Aber: JEDER muss einen guten Instagram-Account haben, ob man Lust dazu hat, oder nicht. Das ist – leider – sehr, sehr wichtig geworden.
Ihr nutzt eure Musik auch, um euch gesellschaftlich einzusetzen, habt Spenden für Pro Asyl gesammelt und euch für den Erhalt des Hambacher Forsts eingesetzt. Auch in euren Songs setzt ihr ab und an soziale Statements. Musik und Politik – lässt sich das für euch überhaupt trennen?
Ole: Im besten Fall schreibt man Songs über Sachen, die einen gerade beschäftigen. Wenn einem gerade politische Themen sehr nahe sind, ist es nur natürlich, dass auch Songs daraus entstehen. Deshalb finde ich es schon schwer, das zu trennen, und sehe auch keinen Grund, das zu tun. Sophia, wie siehst du das aus Songwriting-Perspektive?
Sophia: Am Anfang haben wir gesagt, dass wir auf keinen Fall unsere politische Meinung in unsere Songs bringen wollen. Es ist einfach sehr, sehr schwer, einen guten politischen Song zu schreiben. Ich weiß nicht, ob wir besser darin geworden sind, oder einfach das Gefühl hatten, dass es das gesellschaftliche Klima erforderlich macht, so dass wir heute denken: Man kann, und vor allem: man muss. Diese Entwicklung haben ja sehr viele Künstler in den vergangenen Jahren gemacht. Ich war gerade erst beim Hurricane, und jeder Künstler, den ich dort auf der Bühne gesehen habe, hat auch ein gesellschaftskritisches Statement gebracht.
Isa: Vielleicht muss man in seinen Songs nicht unbedingt politische Messages drin haben. Aber man kann sich ja trotzdem als politische Person positionieren, zum Beispiel in dem man zu bestimmten Anlässen spielt oder Spenden sammelt. Oder in dem man Ansagen macht, die den persönlichen Standpunkt deutlich machen. Unabhängig vom Songwriting sollte man das auf jeden Fall tun, wenn man eine Meinung hat. Und ich hoffe natürlich, dass man das hat (lacht).
Wird man eure eigene politische Position auf eurem neuen Album auch mehr zu hören bekommen?
Ole: Gute Frage! Das kann man gerade noch gar nicht so richtig sagen. Dafür ist es einfach zu schwierig, im Albumprozess schon zu konkretisieren, wo die Reise hingeht.
Die junge Generation scheint politisch überdurchschnittlich aktiv zu sein. Wie seht ihr Bewegungen wie Fridays for Future und das aktuelle Engagement zahlreicher YouTuber?
Ole: Ich habe mich über diese Entwicklungen richtig gefreut! Unsere Generation der Endzwanziger oder Anfangdreißiger war in dem Alter nicht ansatzweise so politisch, zumindest nicht öffentlich. Es ist toll, dass es gerade so eine Bewegung gibt. Fridays for Future finde ich beispielsweise wahnsinnig unterstützenswert. Auch dass sich mit Reezo gerade ein YouTuber so klar positioniert und politisiert, von denen man ja immer dachte, dass sie vor allem inhaltlosen Kram machen, finde ich wirklich toll. Das sind gerade sehr wichtige Entwicklungen.
Interview: Lina Burghausen / Mona Lina PR
Titelbild und Galeriefoto: Dennis Dirksen