„Wir wollen mehr junge Mädchen ermutigen, selbst auf die Bühne zu gehen“
2018 standen sie auf der Bühne beim „Bandclash“, dem local heroes-Partnernetzwerk für Sachsen. Nun liefern Baby of the Bunch aus Leipzig ihre neue EP „I’m Not The Type of Girl Your Mom Would Like”.
Baby of the Bunch aus Leipzig: Ihre neue EP „I’m Not The Type of Girl Your Mom Would Like” steht in den Startlöchern – ein musikalisch vielseitiges, provokantes Heavy-Pop-Album, das die vier Musikerinnen mit ganz viel Message aufgeladen haben. Wir sprachen mit der Band über die Entstehung ihrer Songs, ihre musikalischen Visionen und ihre Erlebnisse als eine der wenigen sichtbaren All Female Bands in der Musikszene.
Liebe Baby of the Bunch, ein spannendes Jahr liegt hinter euch! Mit „Banana Ice Cream“ hattet ihr Anfang 2018 einen echten Achtungserfolg. Dazu feiertet ihr Erfolge beim „Bandclash“, und nun ist eure neue EP am Start. Was war für euch der prägendste Moment des letzten Jahres?
Bronte: Einer der krassesten und zugleich ernüchterndsten Momente war, als „Banana Ice Cream“ bei 50.000 Streams auf Spotify ankam. Das sind schon krasse Zahlen für eine kleine Band mit ihrem ersten Release, aber eigentlich macht es gar keinen Unterschied.
Valentina: Das stimmt. Es dauert wirklich lange, eine Fanbase aufzubauen, die auch Bock hat, zu Konzerten zu kommen. Da täuschen die Streamingzahlen.
Luise: Für mich war ein prägender Moment, als wir auf der Bühne standen und die Leute im Publikum unsere Songs mitgesungen haben. Das kommt erst, wenn man mal offiziell etwas veröffentlicht.
Bronte: Und da sind die Besucherzahlen auch nicht wichtig, so lange die Stimmung gut ist und das Publikum die Musik feiert. Wir haben auch im Fernsehen vor 2 Mio. Leuten gespielt. Davon haben wir kaum mehr gespürt als ein paar Facebook-Likes.
Finja: Live kriegt man echt viel mehr zurück! Einige unserer coolsten Shows waren die vor gerade mal zehn Leuten, aber die dann kennenzulernen und sich mit anderen Bands zu verknüpfen, hat uns auch unglaublich weitergebracht!
Ihr lebt inzwischen nicht mehr alle in Leipzig. Wie läuft also das Songwriting bei euch ab? Ist eine von euch für Texte und/oder Arrangements verantwortlich?
Valentina: Es ist auf jeden Fall immer anders. Feste Rollen gibt es bei uns nicht.
Bronte: Wenn es zeitlich bei allen passt, versuchen wir uns immer mal mehrere Tage am Stück in einem Proberaum in Leipzig oder Berlin einzuschließen und uns neuen Songs zu widmen. Meistens hat jemand schon eine Idee oder gar einen Song und dann setzen wir uns in der Gruppe damit auseinander.
Luise: Es war keine leichte Entscheidung, nach Berlin zu ziehen, aber für mich die Richtige. In Berlin bekomme ich den kreativen Input, den ich brauche, um mich weiterzuentwickeln. Für uns als Band heißt das aber auch ganz viel Hin- und Herschicken von Demos und Ideen.
Finja: …und leider zu viele Proben ohne Luises fette Synth-Barrikade!
Luise: Ja, das ist auf jeden Fall mühsam, aber es lohnt sich. Und so freuen wir uns umso mehr auf die Proben zu viert.
Durch eure unterschiedlichen Stimmfarben, aber auch die vielseitige Instrumentierung eurer Stücke habt ihr einen sehr eigenen Sound. Habt ihr musikalische Vorbilder oder andere Inspirationsquellen für eure Tracks?
Finja: Inspiriert werden wir hauptsächlich von den Dingen, die um uns herum und in unserem Leben passieren: Wut, persönliche Anekdoten, Zukunftsangst… manchmal sind auch einfach nur leichte Sommertage.
Bronte: Oft kann man selbst gar nicht einschätzen, wo die eigentlichen Einflüsse liegen. Daher gibt es vermutlich unzählige Vorbilder. Die eigenen Sounds, vor allem Synthesizer- und Gitarren-Sounds, kommen vom planlosen Rumexperimentieren mit Sachen, die irgendwo rumstanden. Luises Yamaha Synthesizer hat jemand mal bei ihr im Keller stehen lassen. Inzwischen ist er bei vielen Songs ausschlaggebend.
Luise: Ich probiere einfach verschiedene Sounds aus und gucke, welcher am besten klingt.
Valentina: Und ich hau einfach auf meine jeweils momentane Lieblingstrommel.
Ihr selbst nennt euren Sound „Heavy Pop“ – was zeichnet dieses Genre für euch aus?
Valentina: Jede coole Band erfindet doch ihr eigenes Genre…
Finja: …weil wir natürlich unglaublich edgy und originell sind!
Bronte: Außerdem klingt „Heavy Pop“ einfach cool!
„I’m Not The Type of Girl Your Mom Would Like” heißt eure neue EP. Inwiefern unterscheidet sie sich von eurem Erstlingswerk “The Garden Eden EP“?
Bronte: Bei der Entstehung der ersten EP waren wir noch sehr unerfahren. Wir wussten noch gar nicht richtig, was es bedeutet, Musikerinnen zu sein, Gigs zu spielen, ins Studio zu gehen und vor allem: Authentizität und eine Message rüberzubringen!
Finja: Unsere Message ist auf jeden Fall politischer und selbstbewusster geworden. Wir haben uns in ein paar Monaten, in denen wir ständig auf der Bühne standen, krass schnell entwickelt.
Luise: Die Texte sind auch tiefgründiger. Wir haben viel akribischer am Sound und Songwriting gearbeitet und sind selbstsicherer ins Studio gegangen.
Eure ersten Steps habt ihr noch als Schülerband gemacht. Die feministische Message war euch da also noch nicht so wichtig?
Finja: Wenn uns das jemand fragt, antworte ich immer das gleiche: Erst die Erfahrungen, die wir als weibliche Musikerinnen machen mussten, haben uns zu Feministinnen gemacht.
Valentina: Dass wir alle Mädels sind und uns gefunden haben, war reiner Zufall. Wir hatten nie die Absicht, jemanden damit zu provozieren...
Luise: Mir war am Anfang gar nicht bewusst, dass wir etwas Besonderes sind. Das kam erst, als es von außen immer wieder zum Thema gemacht wurde.
Bronte: Das thematisieren wir auch auf der neuen Platte im Song „how to be irritating“. Seitdem setzen wir uns konsequent damit auseinander.
Was für Erfahrungen habt ihr als All Female Band gemacht, zum Beispiel auf euren Konzerten? Habt ihr das Gefühl, dass eure Besetzung oft thematisiert wird, oder dass ihr deshalb von Veranstalter*innen, Organisator*innen oder auch Fans anders behandelt werdet?
Bronte: Die Besetzung wird wirklich fast immer thematisiert. Hauptsächlich sind das blöde Kommentare. Beim Bandclash wurde uns zum Beispiel vorgeworden, nur wegen des „Tittenbonus“ weitergekommen zu sein. Oder der Techniker kontert mit Sprüchen wie „Ihr lasst ja ganz schön euer Geschlecht raushängen“, wenn man ihn um Hilfe bittet. Oft nimmt man uns nicht ernst und stempelt uns ab. Wir haben sogar schon von Radiopromotern gehört, sie würden sich keine weiblichen Musikerinnen anhören wollen, weil ihnen die Stimmen zu hoch seien. Von Veranstaltern hört man das eher weniger, die buchen einen ja nicht ohne Grund. Und bei den Fans ist es auch cool.
Valentina: Uns ist aber aufgefallen, dass Groupie-Klischees bei Männerbands nicht ohne Grund existieren. Da stehen die Mädels teilweise Schlange, um die Jungs kennenzulernen. Das erleben wir so gut wie nie.
Auch bei Bandcontests wie dem Bandclash, bei dem ihr letztes Jahr teilgenommen habt, nehmen nur sehr selten Frauen* teil, dabei gibt es so viele talentierte Mädchen* und Frauen*. Könnt ihr euch erklären, warum so viele Frauen* musikbegeistert sind, aber einfach viel seltener auf Bühnen stehen?
Bronte: Das Problem liegt in der mangelnden Anzahl an weiblichen Vorbildern für junge Musikerinnen. Hätten wir nicht Bands wie Girlpool, Babes in Toyland oder Sonic Youth gehabt, wären wir wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, selbst Rockmusik zu machen.
Finja: Sonic Youth und die Bands aus der Riot Girrrl-Szene sind einfach keine typischen Vorbilder, auf die man als junges Mädchen nonstop stößt. Uns treibt das unglaublich an: Wir hoffen, dass wir mehr junge Mädchen dazu ermutigen können, auch auf die Bühne zu gehen.
Eure Teilnahme am Bandclash ist zwar schon eine ganze Weile her, aber inwiefern ist euch der Abend dennoch in Erinnerung geblieben? Gab es ein besonderes Learning aus eurer Teilnahme heraus?
Valentina: Wir hatten mega viel Spaß dort und haben Freunde gefunden, mit denen wir noch immer sehr viel zu tun haben.
Finja: Eine Musikszene bildet sich ja nicht einfach so, dafür muss sehr viel passieren. Es ist schön, zu sehen, wie sich in Leipzig nach und nach ein Netz zwischen den verschiedenen Bands knüpft und immer mehr dazukommen. So etwas hat man nicht in jeder Stadt!
Für euer neues Release habt ihr ein Crowdfunding gestartet. Wie ist eure Erfahrung damit – sind Crowdfunding und Plattformen wie Patreon wirkungsvolle Mittel, um sich als Künstler*innen heute zu verwirklichen und vielleicht sogar seinen Lebensunterhalt damit zu finanzieren?
Luise: Ein Crowdfunding würde ich keinesfalls als Lebensunterhalt ansehen. Das Geld, das wir damit „verdient“ haben, investieren wir ja für unsere Fans in Aufnahmen und Merch, so wie viele Künstler das ja auch machen. Leben kann man letztendlich wahrscheinlich eher von Auftritten oder dem Verkauf von CDs.
Was würdet ihr anderen Bands, die Crowdfunding-Aktionen planen, raten?
Bronte: Viel früher mit der Organisation anzufangen! Man darf so etwas nicht auf den letzten Drücker machen. Am besten macht man vorher schon Promo und weiht all seine Freunde, Bekannten und Fans ein, dass bald ihre Hilfe benötigt wird.
Luise: Außerdem solltet ihr darauf achten, auch den jungen Fans, die eventuell kein eigenes Einkommen haben und nur wenig spenden können, mit kleineren Perks im Angebot einzubeziehen.
Kommen wir abschließend nochmal auf den Titel eurer EP zu sprechen: „I’m Not The Type of Girl Your Mom Would Like”. Als was für „Types of Girl“ würdet ihr der Nachwelt gern in Erinnerung bleiben?
Valentina: Als diese Art von Mädchen, die einfach immer genau das gemacht haben, was sie wollten.
Luise: Mädchen, die kein Klischee bedienen, sondern als sie selbst wahrgenommen werden.
Finja: …und einfach das machen, wonach ihnen gerade ist, unabhängig davon, was andere davon halten. Vielleicht ist das die neue Form von Punk. Wir sind in einer Generation aufgewachsen, die eh nicht mehr wirklich provozieren kann. Dazu haben die Generationen vor uns viel zu viel selbst mitgemacht.
Bronte: Junge Leute haben aufgehört, sich gegen die Vergangenheit zu wenden, sondern der Zukunft entgegenzublicken. Genau darum geht es: Andere junge Leute zu inspirieren, indem etwas völlig Neues erschaffen wird.
Luise: Abgesehen davon möchten wir nicht planen, wie wir in Zukunft gesehen werden wollen, sondern einfach Spaß am Leben zu haben!
Finja: Es geht nicht darum, was von uns bleibt. Es geht darum, was von uns mitgenommen wird.
Interview: Lina Burghausen (Mona Lina)
Titelbild: Vanessa Hartwig
Weitere Infos: Facebook-Seite von Baby of the Bunch
Mai 2019